Joachim Bauer
Das kooperative Gen
Abschied vom Darwinismus
Hoffmann & Campe, 2008
223 Seiten, gebunden, Euro 19,95
Best.Nr. 704 273
Joachim Bauer, Mediziner und viele Jahre in der molekular- und neurobiologischen Forschung tätig, plädiert für einen „Abschied vom Darwinismus“ – so der Untertitel des vorliegenden Buches. Eine seiner Kernthesen: Biologische Systeme sind mehr als die Summe ihrer anorganischen und organischen Bestandteile. Zwar sei Darwins zentrale Erkenntnis vom gemeinsamen Stammbaum allen Lebens richtig und unumstößlich, weitere Elemente der Evolutionstheorie, auch in der Version der „New Synthesis“, hätten sich dagegen „schlicht als falsch erwiesen“ (S. 183). Insbesondere Richard Dawkins Konzept vom „egoistischen Gen“ stellt er „das kooperative Gen“ gegenüber.
Vielem, was Joachim Bauer schreibt, kann der Rezensent zustimmen, etwa, wenn der Autor (S. 155) vermerkt, „dass die Ungleichheit bei der Verteilung von Lebenschancen und Ressourcen (...) von den Benachteiligten als soziale Ausgrenzung und Demütigung erlebt und mit Aggression beantwortet wird. Den Weltfrieden bewahren zu wollen erfordert daher die Bereitschaft zu teilen.“ Nur, diese und andere Stellen belegen nicht, dass die moderne Evolutionstheorie schlicht „falsch“ ist. Gerade die von Bauer so gescholtenen Soziobiologen haben elaborierte Theorien zu einer Evolution der Kooperation entworfen.
Wo liegt das Problem mit Bauers Buch? Es ist seine kaum versteckte religiöse Botschaft. Der Philosoph Daniel C. Dennett hat in seinem Buch Darwins gefährliche Idee (zur Zeit leider vergriffen) sinngemäß argumentiert, das die Idee der Evolutionstheorie wie eine Säure wirke, die religiöse Vorstellungen zerfresse. Fromme Menschen würden sie deshalb ablehnen und stattdessen „Himmelshaken“ (Wunder, Emergenz) postulieren, um ihren Glauben zu retten, etwa dass das Ganze (z.B.) eines Lebewesens mehr ist als die Summe seiner Teile. Bauers Buch scheint Dennetts Thesen zu bestätigen. Ewa wenn Bauer auf die „antireligiöse(n) Kampagnen“ der „soziobiologische(n) Neodarwinisten“, gemein ist insbesondere Richard Dawkins, eindrischt (S. 191): „Verschiedene explizit atheistische, ‘Wissenschaftlichkeit’ beanspruchende Regime, darunter das erklärtermaßen darwinistisch gesinnte Regime der Nazis, haben allein in den letzten hundert Jahren Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, die den im Namen welchen Gottes auch immer begangenen weder qualitativ noch quantitativ nachstehen.“ Die fromme Katze gänzlich aus dem Sack lässt Bauer im letzten, abschließenden Satz seines Buches, wenn er „auch der Theologie (...) ein Mitspracherecht im gesellschaftlichen Diskurs“ über das zugesteht, „was Wissenschaftler tun“.
B. Reinsdorf
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